Ich lese gerne Zeitung. Oder besser: Ich lese gerne Zeitungen. Noch genauer: Ich lese gerne Artikel aus Zeitungen. Dabei ist mir zunächst einmal gleich, aus welcher Zeitung ein Artikel stammt. Fast jedem, der ähnlich denkt, müssen die letzten Jahre ein Paradies gewesen sein: So ziemlich jede Zeitung stellte so ziemlich alle Inhalte ihrer gedruckten Ausgabe online. Ob ich nun einen Artikel aus der taz, der WELT, der Main-Post oder der Westdeutschen Zeitung lesen wollte – in der Regel war alles kostenlos verfügbar. Auch wenn ich längst nicht mehr in meiner Heimatstadt wohnte, konnte ich dank der Regionalzeitung auf dem Laufenden bleiben, wo ein neuer Supermarkt eröffnet wurde und wessen Oma gestorben war. Und stand in Zeitungen, die ich weder komplett lesen noch mit zwei Euro subventionieren wollte, ein Artikel, der mich dann doch interessierte, brauchte ich nicht darauf zu verzichten. Diese Zeiten neigen sich ihrem Ende zu. Es stellte sich unweigerlich heraus, dass die Werbeeinnahmen der Websites die Einkünfte, die durch gekündigte Print-Abonnements verloren gegangen waren, nicht oder nicht vollständig ersetzen konnten. Viele Zeitungsverlage machten daraufhin eine Rolle rückwärts: In extremen Fällen reduzierten sie das Online-Angebot auf ein Minimum an Agenturmeldungen und Kurzfassungen der Artikel aus der kostenpflichtigen Ausgabe, die nun auch digital abonniert und als App konsumiert werden konnte. Andere Zeitungen veröffentlichen zumindest besonders gefragte Inhalte nicht mehr (die Familienanzeigen der Samstagsausgabe etwa) oder versuchen es mit freiwilligen Bezahlmodellen, Freemium und dergleichen. Der generelle Eindruck, der bei mir entsteht, ist jedenfalls: Man kehrt aus wirtschaftlichen Gründen zu einem Exklusiv-Modell zurück, das schon in den Jahrzehnten davor kein Erfolg war, sondern zu fallenden Auflagen geführt hat.
Warum ist das Modell ›Zahle Betrag x und bekomme Zugang zu unserer gesamten Ausgabe‹ meines Erachtens ein totes Pferd? Weil es nicht an die Nutzererfahrung der Jahre, in denen alles kostenlos online stand, anschließt – eine Erfahrung, die so ziemlich jeden geprägt hat, der gerne Zeitung liest und voraussichtlich auch noch in zwanzig Jahren Zeitung lesen wird. Die feste Bindung an einen Ort und eine Zeitung ist nicht mehr zurückzuholen, auch nicht, wenn die Zeitung inzwischen nicht mehr auf Papier daherkommt. Für die Alles-steht-kostenlos-online-Zeit gilt dasselbe: Ich lebe nicht in der Illusion, dass eine Redaktion, die interessante Themen findet, ausrecherchiert und aufschreibt, nicht auf Geld angewiesen ist. Jemanden, der einen wesentlichen Teil seines Lebensunterhalts via Flattr & Co. bezieht, kenne ich nicht (vielleicht der falsche Freundeskreis). Was ich als Leser vermisse, ist ein Angebot, das meinen Wunsch, von allem ein bisschen was bekommen zu können, mit der Notwendigkeit der Redaktionen, Geld zu verdienen, verbindet. Konkret stelle ich mir eine Art Spotify für journalistische Texte vor (nennen wir es spaßeshalber mal ›Journalistify‹). Journalistify wäre ein auf allen Endgeräten zugänglicher Dienst, bei dem ich für einen Monats- oder Jahresbeitrag eine bestimmte Anzahl an Artikeln aus allen teilnehmenden Quellen lesen kann. Ob das, wie bei Spotify, eine Flatrate sein kann, ist ein unbedeutendes Detail. Wichtig ist, dass ich glaube, dass ein solcher Dienst die einzige Möglichkeit für journalistische Textmedien ist, mittelfristig noch Geld zu verdienen. Man müsste sich als Leser nicht mehr auf eine Zeitung oder eine Zeitschrift festlegen, sondern könnte von Thema zu Thema entscheiden, aus welcher Quelle man sich informieren möchte. Gleichzeitig bekämen die Produzenten pro gelesenem (also: in der Volltextansicht aufgerufenem) Artikel einen Teil des Beitrags, den ich gezahlt habe – und nicht nur dann, wenn ich die Freundlichkeit besitze, auf den entsprechenden Button zu klicken.